Dienstag, 27. Mai 2008 EM 2008 - Kein Sommermärchen? Vielen ist die EM "wurscht"
Das große EM-Werbebanner auf dem Riesenrad im Wiener Prater hielt nur ein paar Tage. Dann musste es wegen des Sturmtiefs "Emma" abgenommen werden. Seitdem steht die Wiener Sehenswürdigkeit ohne Fußballschmuck da. Vielen Österreichern ist das wie auch das ganze Turnier ziemlich "wurscht", wie Meinungsumfragen belegen. Auch die Nachbarn in der Schweiz scheinen kurz vor dem EM-Anpfiff am 7. Juni noch nicht vom Fußballfieber erfasst zu sein. "Kein Sommermärchen?", fragen alpenländische Medien bereits.
"Die Stimmung könnte besser sein, war aber auch schon mal deutlich schlechter", formuliert es die Meinungsforscherin Karin Cvrtila von der Österreichischen Gesellschaft für Marketing diplomatisch. Nach ihren Umfragen interessiert sich knapp die Hälfte der Österreicher überhaupt nicht für das Turnier im eigenen Land, weitere 20 Prozent sind sogar davon genervt, knapp 30 Prozent freuen sich darauf. "Man kann das auf keinen Fall mit der WM damals in Deutschland vergleichen", sagt sie.
Wer sind Trix und Flix?
Ihr Kollege Christian Dominik von Makam Market Research ist etwas zuversichtlicher. "Die positive Grundstimmung ist da", sagt er. Sein Institut macht seit einem Jahr eine wöchentliche repräsentative Umfrage zur Haltung der Österreicher zur EM und hat Verbesserungen festgestellt. Noch vor mehreren Monaten hielt die Mehrheit der Menschen den deutschen WM-Slogan "Zu Gast bei Freunden" für das aktuelle EM-Motto, gerade mal drei Prozent der Befragten kannten die Maskottchen Trix und Flix. Kurz vor Turnierbeginn hat sich das nach Angaben von Dominik gebessert, etwas mehr als die Hälfte der Menschen haben eine "grundsätzlich positive" Haltung zum Fußball-Event. Doch sagt auch er: "An einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung geht die EM vorbei."
Auch die Schweizer lassen es mit ihrer EM-Begeisterung lieber langsam angehen. "Noch hat die Schweiz erst leicht Temperatur. Doch mit jedem Tag steigt die Fieberkurve mehr in den roten Bereich", diagnostiziert die Tageszeitung "Blick". Das merken auch die Verkäufer von Fan-Artikeln: Zwar sind die Geschäfte bereits randvoll - etwa mit Fußball-Pasta, Stollen-Pantoffeln oder Zahnbürsten in den Schweizer Nationalfarben - aber der Ausbruch der Fußballeuphorie lasse noch etwas auf sich warten, hieß es. Es wird aber erwartet, dass sich die Fans kurz vor Anpfiff der EM sehr wohl noch mit den passenden Artikeln eindecken werden.
"Österreich am Ball"
Für die großflächige Fußball-Unlust in Österreich findet Meinungsforscherin Cvrtila eine einfache Begründung. "Die österreichische Mannschaft ist einfach zu schlecht", sagt sie. Bei der WM in Deutschland hätten die Fans einen berechtigten Glauben gehabt, dass ihr Team gewinnen könne. "Traurig aber wahr - das ist in Österreich rational ausgeschlossen." Zu deutlich mehr Begeisterungsstürmen lassen sich die Österreicher ihrer Meinung nach auf der Skipiste hinreisen. "Da sind die Erfolge da." Doch mit Beginn des Turniers könne sich die Begeisterung noch steigern, vor allem Kinder ließen sich leicht anstecken.
"Die ungeheuren Dimensionen einer EM sind für die Menschen noch nicht greifbar", heißt es von Seiten der EM-Initiative "Österreich am Ball" vom österreichischen Fußball-Bund und der Bundesregierung. Schließlich sei das Land mit seinem Partner Schweiz zum ersten Mal Ausrichter eines derart großen Events. "Wie damals in Deutschland wird die Euphorie erst mit Turnierbeginn kommen", sagt der Sprecher Lorenz Kirchschlager. Außerdem wolle man sich sowieso nicht an dem großen Nachbarn messen. "Es wird ein österreichisches und schweizer Turnier mit unseren Eigenheiten", sagt er. Ob dann so ein "Hype" wie in Deutschland entstehe, hänge sicher auch davon ab, ob die österreichische Mannschaft überraschen kann. "Wir werden auf jeden Fall gute Gastgeber sein." (n-tv.de)